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Wärmeempfinden bei Autismus und ADHS: Eine heiße Sache

Das Thema Wärmeempfinden bei Autismus und ADHS wird im Alltag oft übersehen, weil es nicht so offensichtlich ist. Wir alle empfinden Kälte und Wärme. Aber wir empfinden sie nicht alle gleich. Viele von uns haben Präferenzen, mögen es lieber kühler oder wärmer.

Für viele von uns sind Temperaturveränderungen lediglich ein Hinweis auf den Wechsel der Jahreszeiten oder eine Komfortfrage. Doch für Menschen mit ADHS und Autismus kann dies eine tiefgreifende Auswirkung auf ihr tägliches Leben haben.

Was es damit auf sich hat, schauen wir uns in diesem Artikel an. 

Extremes Wärmeempfinden bei Autismus und ADHS

Viele Menschen, wenn nicht sogar die meisten, freuen sich auf den Sommer. Sonne, Wärme, schönes Wetter. Menschen mit ADHS oder ASS, die an Hitzeempfindlichkeit leiden, sehen sich hingegen jedes Jahr vor Herausforderungen gestellt. 

Fast jeder weiß: Extremes Wetter kann echt unangenehm sein. Erst recht, wenn man darauf nicht vorbereitet ist. Für Menschen mit Autismus oder ADHS kann sich diese Situation sogar noch verschärfen. Denn viele von uns können Hypersensitivität gegenüber Temperaturen und Hitzeempfindlichkeit im Speziellen erleben. 

Durch die Hypersensitivität können sich Schwitzen, Wärme und obendrein unbequeme Kleidung richtiggehend unerträglich anfühlen. 

Wie funktioniert das Wärmeempfinden normalerweise?

Die Fähigkeit, Wärme zu empfinden, ist ein komplexer Prozess, der durch spezielle Rezeptoren in der Haut und Nervensignale im Körper ermöglicht wird. Wenn du Wärme wahrnimmst, läuft Folgendes ab:

  1. Wärmerezeptoren in der Haut: In der Haut befinden sich spezialisierte Rezeptoren, die auf Temperaturänderungen reagieren. Diese Rezeptoren, die als Wärmerezeptoren bezeichnet werden, sind auf unterschiedliche Wärmegrade spezialisiert. Wenn sie durch höhere Temperaturen aktiviert werden, senden sie elektrische Signale an die Nervenzellen.

  2. Nervenleitung: Die elektrischen Signale, die von den Wärmerezeptoren erzeugt werden, werden entlang der Nervenbahnen zum Rückenmark und dann zum Gehirn weitergeleitet. Diese Signale reisen mit Hilfe von Nervenzellen, die als Neuronen bezeichnet werden. Sie bilden eine komplexe Kommunikationsstruktur, die es dem Körper ermöglicht, Informationen zu verarbeiten und darauf zu reagieren.

  3. Thermoregulation: Das Gehirn spielt eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung der empfangenen Signale und der Regulierung der Körpertemperatur. Es analysiert die Informationen und koordiniert Reaktionen, um die Körpertemperatur auf einem optimalen Niveau zu halten. Wenn das Gehirn erkennt, dass der Körper zu warm wird, löst es Mechanismen wie Schwitzen oder die Erweiterung der Blutgefäße aus, um die Wärme abzuführen. Wenn der Körper zu kalt wird, kann das Gehirn Maßnahmen wie das Zusammenziehen der Blutgefäße oder das Zittern der Muskeln einleiten, um Wärme zu erzeugen.

Dieser komplexe Prozess der Wahrnehmung von Wärme ermöglicht es dem Körper, auf Temperaturänderungen zu reagieren und die Körpertemperatur im Gleichgewicht zu halten. Bei Menschen mit ADHS und Autismus kann es aufgrund der individuellen Unterschiede in der sensorischen Wahrnehmung zu Abweichungen in diesem Prozess kommen, was zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Wärme oder Kälte führen kann.

Wie unterscheidet sich das Wärmeempfinden bei ADHS oder Autismus?

Menschen mit Autismus oder ADHS können eine andere Art der sensorischen Verarbeitung haben, was bedeutet, dass ihre Wahrnehmung von Sinnesreizen, einschließlich der Temperatur, anders ablaufen kann als bei neurotypischen Personen. Es gibt verschiedene Faktoren, die dazu beitragen können:

  1. Sensible Rezeptoren: Bei Autismus und ADHS können die Sinnesrezeptoren, einschließlich der Wärmerezeptoren in der Haut, überempfindlich oder unterempfindlich sein. Das bedeutet, dass sie entweder stärker auf Reize reagieren oder weniger empfindlich darauf sind. Bei Menschen mit Autismus oder ADHS kann dies zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Temperaturveränderungen führen, was zu Unbehagen oder Reizbarkeit führen kann.

  2. Sensorische Integration: Die Fähigkeit, Sinnesreize zu verarbeiten und zu integrieren, kann bei Menschen mit Autismus oder ADHS beeinträchtigt sein. Das heißt, sie haben möglicherweise Schwierigkeiten, verschiedene Sinnesinformationen gleichzeitig zu verarbeiten und angemessen zu reagieren. Dies kann zu einer überwältigenden sensorischen Erfahrung führen, einschließlich der Wahrnehmung von Wärme und Kälte.

  3. Unterschiedliche neuronale Verarbeitung: Menschen mit Autismus oder ADHS können Unterschiede in der Art und Weise haben, wie ihr Gehirn sensorische Informationen verarbeitet. Dies kann dazu führen, dass die Wahrnehmung von Wärme und Kälte anders interpretiert wird oder dass die Reaktionen darauf intensiver sind.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Erfahrung individuell variieren kann. Nicht jeder Mensch mit Autismus oder ADHS hat die gleichen sensorischen Empfindlichkeiten. Einige können besonders empfindlich auf Hitze oder Kälte reagieren, während andere weniger betroffen sind. 

Wärmeempfinden mit ADHS und Autismus: Persönliche Erfahrungen

So weit, so gut. Wie kann sich denn jetzt das gestörte Wärmeempfinden mit ADHS und Autismus im Alltag bemerkbar machen? Ich kann an dieser Stelle nicht für alle ADHS- bzw. Autismus-Betroffenen sprechen. Klar, geht es vielen ähnlich wie mir, aber a) ist “ähnlich” nicht “genau so” und b) sind viele nicht alle. Also erzähle ich euch, wie es sich bei mir äußert. 

Das fing schon früh in der Kindheit an. Ich lief gerne ohne Jacke herum oder deutlich dünner angezogen, als die Jahreszeit mir eigentlich “vorschrieb”. Das ist auch heute noch ähnlich. Richtig dicke, kuschelige Strickpullis im Winter sorgen bei mir für Schweißausbrüche. Ebenso zu dicke Jacken. Ich habe eine Winterjacke, die kann ich allerdings nur offen tragen, um wenigstens etwas für Ausgleich zu sorgen. 

Können wir kurz lüften? Die "Streitfrage" im Büro

Ich liebe es, morgens ganz früh als erstes in unserem Büro zu sein. Dann kann ich nämlich das Fenster weit raufreißen, während ich entspannt in den Arbeitstag starte. Nicht selten haben Kollegen mich verrückt genannt, wenn ich mit hochgekrempelten Ärmeln am Computer gesessen habe – bei MINUS 5 GRAD. 

Im Winter bin ich oft diejenige, wie mindestens 6x am Tag fragt “Können wir mal das Fenster kurz aufmachen?” Denn sobald die Heizung läuft, läuft mir schon fast der Schweiß. 

Wärme und grelle Sonne? Überfordern mich ganz schnell!

Sobald die Temperaturen über 22 Grad klettern, geht es mir nicht mehr gut. Während andere jubeln, dass die Temperaturen jetzt endlich sommerlich werden, hoffe ich regelmäßig inständig, dass sich die Wetter-App vertan hat, wenn für die nächsten Tage Zahlen bis zu 30 Grad angekündigt werden. 

Ist der Sommer erstmal da, klappt das natürlich nicht mehr wirklich. Dann quäle ich mich richtiggehend durch den Tag. Die schwüle Luft, gemischt mit dem Schweiß und den klebrigen, manchmal unbequemen Klamotten überreizen mich so sehr, dass ich nicht mehr weiß, wohin mit mir. 

Ich kann mich dann nicht mehr richtig konzentrieren, kriege schnell Kopfschmerzen, mir wird übel und schwindelig und manchmal fühle ich mich richtig träge und lethargisch. 

Klimatisiertes Büro vs. Zugfahrten: Eine harte Wahl!

So sehr ich auch die Ruhe liebe, wenn ich von zu Hause aus arbeite – im Sommer ist das die Hölle. Denn ich lebe in einer Dachgeschosswohnung. In einem Altbau. 

Prinzipiell bin ich daher im Sommer am liebsten in der Agentur. Da habe ich vernünftige Jalousien, die mir die Sonne vom Hals halten und eine Klimaanlage im Büro. Wäre da nicht die Zugfahrt hin zur Agentur und wieder nach Hause, würde ich vermutlich in der Sommerzeit jeden Tag im Büro sein.

Aber Zugfahrten im Sommer bringen mich jedes Mal an den Rand eines Meltdowns. Die krass unterschiedlichen und unerträglich intensiven Gerüche; die Hitze, die jeder Mensch im Zug ausstrahlt – der purre Horror für mich. 

Was kannst du bei Hitzeempfindlichkeit tun?

Es gibt einige Sachen, die man versuchen kann, um sich die hitzige Saison so erträglich wie möglich zu machen. Beachte bitte, das leider nicht jede Methode für jeden funktioniert. Denn oft spielen noch andere Faktoren eine Rolle. 

  • Luftige und lockere oder sogar kurze Kleidung tragen. Schau, was für dich am besten passt und womit du dich wohler fühlst. 
  • Kühlende Gels oder Sprays. Auch hier gilt gerade bei sensorik-empfindlichen Personen wie Autist*innen und ADHS-ler*innen: Schau, was für dich funktioniert. Nicht jeder mag die Konsistenz oder das Gefühl auf der Haut. 
  • Suche Schatten auf oder gehe in kühle Gebäude, wenn möglich.
  • Trinken ist wichtig! Und genau das kann mit ADHS zum Problem werden. Wir vergessen nämlich oft im Alltag völlig, dass wir überhaupt trinken sollten. 
  • Trage einen Fächer bei dir. Der kann manchmal für den nötigen Luftzug sorgen, wenn der Sommertag mal wieder windstill ist. 

Bist du auch Autist*in oder ADHS-ler*in und hast Probleme mit dem Wärmeempfinden? Wie äußert sich das für dich und wie gehst du damit um? Schreib es mir in die Kommentare! 

CarinaKludas

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