Wer AD(H)S hört, denkt meistens als erstes an zappelige, laute, unkonzentrierte Kinder. Doch diese Störung trifft bei weitem nicht nur auf Kinder zu – auch wenn die Medizin und Wissenschaft bis vor ungefähr 15 Jahren noch fest davon ausgegangen sind. Die Wahrheit ist, dass AD(H)S sich auch im Erwachsenenalter fortsetzen und dann bis zum Ende des Lebens andauern kann. Und dennoch werden Erwachsene mit AD(H)S bisher selten diagnostiziert. Das trifft besonders auf Frauen zu. Warum? Weil sich AD(H)S in Erwachsenen ganz anders zeigen kann als in Kindern und Jugendlichen.
Was ist AD(H)S eigentlich?
AD(H)S (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung) ist eine neurobiologische Erkrankung oder Störung. Bei betroffenen Erwachsenen mit AD(H)S ist die Informationsübertragung zwischen Nervenzellen und Gehirn anders als in Gehirnen ohne AD(H)S, auch neurotypischen Gehirne genannt.
Die grundlegenden drei großen Kernsymptome, an denen sich auch die Diagnose orientiert, sind Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität und Impulsivität. Es fallen noch viele Nebensymptome an, die bei der Diagnose nicht ausreichend berücksichtigt werden. Auf die Symptome von AD(H)S gehen wir aber in einem separaten Beitrag noch mal ausführlich ein.
AD(H)S ist nicht gleich AD(H)S
Anders als früher angenommen ist AD(H)S weder eine Kinderkrankheit noch zeigt sie sich immer gleich. Nicht jede betroffene Person ist physisch hyperaktiv. Nicht bei jeder betroffenen Person zeigt sich Impulsivität in der gleichen Art und Weise.
AD(H)S ist mehr eine Spektrum-Störung. Sie kann bei jeder Person anders in Erscheinung treten. Grundsätzlich gibt es aber drei verschiedene Typen:
- Den vorwiegend hyperaktiven Typ (das ursprüngliche ADHS)
- Den vorwiegend unaufmerksamen Typ (das ursprüngliche ADS)
- Den Mischtyp
Was sind die Ursachen für AD(H)S?
Es gibt nicht den einen gravierenden Faktor, der dafür verantwortlich ist, dass man AD(H)S bekommt. Da sind eine ganze Reihe von Faktoren beteiligt. Genetische Vererbung jedoch spielt mitunter die größte – aber bei weitem nicht die einzige – Rolle. Weitere Faktoren können sein
- Umwelteinflüsse
- Struktur- und Funktionsveränderungen bestimmter Hirnregionen
- Störung im Neuotransmitter-Bereich
Die genetische Veranlagung bedeutet, dass Angehörige ersten Grades (Mutter, Vater, eigene Kinder) eine 3- bis 5-fach höhere Wahrscheinlichkeit haben, ebenfalls AD(H)S zu haben.
Aber was versteht man unter Umwelteinflüssen? Damit sind äußere Einflüsse gemeint, die bei der Entstehung eine Rolle spielen können. Wie zum Beispiel Frühgeburten, Komplikationen während der Geburt oder auch Drogen- oder Nikotinkonsum während der Schwangerschaft.
ACHTUNG MYTHOS!
Die Erziehung durch die Eltern kann NICHT die Ursache sein und AD(H)S auslösen. Sie kann sie jedoch beeinflussen. Im Positiven wie auch im Negativen.
Was passiert bei AD(H)S-Erwachsenen im Körper?
Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit AD(H)S weisen im Gehirn neurobiologische und auch neurochemische Besonderheiten auf. Was heißt das? Kurz zusammengefasst bedeutet es, dass das Gleichgewicht der Botenstoffe bzw. Neurotransmitter im Gehirn durch die AD(H)S verändert ist.
Das gilt besonders für die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin. Denn diese stehen an wichtigen Stellen, wo sie benötigt werden, nicht ausreichend zur Verfügung. Dadurch wird die Übertragung von Signalen gestört, was wiederum das Zusammenspiel von Motivationssystem und Aufmerksamkeitssystem beeinträchtigt.
Bei Menschen mit AD(H)S wird das Dopamin im Gehirn schneller abgebaut als bei neurotypischen Menschen. Aber warum?
Ganz geklärt ist das bisher noch nicht. Experten sind aber der Meinung, es könne an dem niedrigeren Blutzuckerverbrauch in den vorderen Hirnabschnitten liegen, wodurch das Gehirn weniger stark durchblutet wird. Ebenso wie an der verringerten Aktivität der rechten vorderen Hirnregion und der erhöhten Menge des “Dopamin-Transporters”.
Komorbide Erkrankungen: AD(H)S kommt selten allein
Komorbide Erkrankungen bei AD(H)S – das ist auch so ein Wort, das die Suchmaschine liebt, aber man selbst erstmal dreimal in Google eingeben muss. Das bedeutet nichts anderes als Begleiterkrankungen bei AD(H)S. Denn diese Störung kommt – wie auch die Autismus-Spektrum-Störung – leider selten allein.
Häufig haben sie noch weitere begleitende Erkrankungen und Störungen im Gepäck.
- Angststörungen
- Schlafstörungen
- Depressionen
- Suchterkrankungen
- Bipolare Störung
- Borderline Persönlichkeitsstörung
- Oder eben auch Autismus
Was es genauer mit diesen Begleiterkrankungen auf sich hat und wie sich diese Komorbiden Erkrankungen bei AD(H)S auswirken und zeigen können, besprechen wir in einem separaten Artikel.