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AD(H)S hoch 3: Die drei verschiedenen Typen

Vermutlich hast du schon mal von AD(H)S gehört. Vielleicht hast du sogar eine Vermutung, dass du selbst betroffen sein könntest oder kennst jemanden, der davon betroffen ist. Doch was viele Menschen nicht wissen, ist, dass es nicht nur eine Art von ADHS gibt. Tatsächlich umfasst die Störung drei unterschiedliche Typen. Deshalb ist das H auch mittlerweile eigentlich in Klammern gesetzt.. 

Diese spielen eine wichtige Rolle bei der Diagnose und Behandlung von AD(H)S. Die Schwierigkeiten mit der Störung zeigen sich im Alltag bei den drei Typen unterschiedlich und dadurch muss auch auf jeden Typ ein wenig anders eingegangen werden. Strategien für den Alltag entwickeln, Therapiepläne anpassen, eventuell passende Medikamente verschreiben lassen. 

In diesem Beitrag schauen wir uns die drei verschiedenen Typen einmal genauer an und wie sie sich voneinander unterscheiden. 

ADHS-Typ 1: Vorwiegend hyperaktiv und impulsiv

Man mag es kaum glauben: Der hyperaktive und impulsive Typ von AD(H)S ist mitunter die bekannteste Form der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Dabei kommt sie nur in rund 7% der Erwachsenen in dieser Form vor.

Wieso kennen die meisten Menschen gerade diese Variante? Ganz einfach. Sie ist die “auffälligste” und ebenjene, die früher bei Kindern und Jugendlichen unter den Namen “Zappelphilipp-Syndrom” diagnostiziert wurde. 

Was viele aber nicht wissen: Im Laufe des Lebens können sich die Ausprägungen und Symptome ändern, so dass sich Typ 1 zu Typ 2 oder auch zu Typ 3 wandeln kann. Aber bleiben wir erst einmal bei der hyperaktiv-impulsiven Variante. 

Typ 1 tritt sehr körperlich in Erscheinung

Bei dieser Form treten die beiden Kernsymptome Impulsivität und Hyperaktivität (wer hätte es gedacht!) viel stärker in Erscheinung als bei den anderen beiden Varianten. Und oft auch viel physischer.  Der Bewegungsdrang ist viel ausgeprägter, was sich in dem Drang, viel Sport zu treiben, äußern kann.

Doch das heißt nicht, dass sie den ganzen Tag herumrennen müssen. Aber sie haben das übersteigerte Bedürfnis, sich IRGENDWIE zu bewegen. Das kann das Wippen mit dem Fuß sein, konstante Handbewegungen, das Wippen mit dem Kugelschreiber oder auch Probleme, still sitzen zu bleiben. Viele AD(H)S-Betroffene dieses Typs wirken auf ihr Umfeld “wie aufgezogen” und von einem Motor angetrieben. 

Sie sprechen meist viel zu schnell und viel zu viel (zumindest, was die Meinung ihres Umfelds angeht). Durch die gesteigerte Impulsivität unterbrechen sie ihre Gesprächspartner oft und manchmal auch lautstark. 

ADHS Hyperaktivität und Bewegungsdrang

ADHS-Typ 2: Vorwiegend unaufmerksam

Spätestens bei diesem Typ zeigt sich, dass die Bezeichnung “Aufmerksamkeitsdefizit” sehr oft falsch verstanden wird. Besonders im Kindes- und Jugendalter, wenn die Hyperaktivität im Vordergrund steht, gehen viele davon aus, dass “Aufmerksamkeitsdefizit” bedeutet, sie bekämen nicht genug Aufmerksamkeit und würden sich deshalb so verhalten.

Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Menschen mit AD(H)S (egal in welcher Form) haben ein Problem damit, ihre Aufmerksamkeit konstant auf Dinge zu richten und sie dort zu halten. Das zeigt sich besonders deutlich beim vorwiegend unaufmerksamen ADHS-Typ, der immerhin bei 33% der Betroffenen diagnostiziert wird. Auch hier gehört Hyperaktivität zu den Kernsymptomen, allerdings diesmal nicht körperlich: Sie findet im Kopf statt.

Typ-2-Betroffene haben das Gefühl, in ihren Kopf niemals Ruhe reinzubekommen. Das kann für jeden anders aussehen. Die einen “hören” praktisch alle Gedanken und Unterhaltungen, die sie in ihrem Kopf durchspielen für sämtliche Situationen, die ihnen begegnen mögen. Andere empfinden das als konstantes, oft lautes, Hintergrundrauschen, welches sich einfach nicht ausblenden lässt.

Ich persönlich gehöre zwar zum Typ drei, aber für mich fühlt sich die interne Hyperaktivität an, als hätte ich 24/7 den Nürburgring in meinem Kopf. Sowohl was die Geschwindigkeit der Gedanken angeht als auch die Lautstärke. Einen bestimmten Gedanken zu fassen und zu verfolgen fühlt sich manchmal an, als versuche man wie in Karate Kid, eine Fliege mit Essstäbchen zu fangen. 

Alles mehr intern: Von Rastlosigkeit bis zur Impulsivität

AD(H)S-Betroffene, deren Hyperaktivität mehr nach innen gekehrt ist, wirken verträumt, waren in der Schule oft langsam und haben oft Angst- und Schuldgefühle. Das Selbstwertgefühl ist sehr oft bestenfalls als “brüchig” zu bezeichnen, was meistens an den negativen Erfahrungen in der Vergangenheit liegt. Erfolge im Arbeitsleben? Sind ganz bestimmt nicht auf den eigenen Anstrengungen gewachsen. Die Lorbeeren gebühren ganz sicher jemand anderem. Es fällt schwer, Erfolge und Leistungen anzuerkennen. 

Durch die konstant andauernden Prozesse, die intern vor sich gehen, sind viele Betroffene fast durchgehend müde oder sogar richtiggehend erschöpft. Die bei ADHS sehr oft auftretenden Schlafprobleme machen es nicht unbedingt besser, da der Kopf leider auch in der Nacht nicht abschalten will. Selbst wenn man in den Schlaf findet, arbeitet der Kopf im Hintergrund weiter, was zu einem sehr unruhigen, unerholsamen Schlaf führen kann. 

Chaos im Kopf und Chaos in der Umgebung

Durch die andauernde Erschöpfung und den fehlenden Antrieb werden selbst kleine Tätigkeiten oft wie riesige Projekte und als schwer oder sogar unmöglich durchzuführen empfunden.

Das Ganze hat tatsächlich auch einen Fachbegriff (ist also nicht von uns ADHS-ler*innen erfunden): Exekutive Dysfunktion. Alltägliche Handlungen wie kochen, putzen, aufräumen, Bücher lesen oder auch einen Arzttermin wahrnehmen werden zu Hürden, die je nach Energieressourcen kaum zu überwinden sind. Aufgaben werden prokrastiniert oder komplett ignoriert. 

Entsprechend zeigt sich das nicht selten auch in den häuslichen Umgebungen der Betroffenen oder mitunter auch auf der Arbeit. Das Chaos im Kopf projiziert ein Chaos in der Umgebung. Was allerdings dazu führt, dass die Betroffenen sich a) schlecht fühlen und b) noch schlechter mit ihrem Alltag klarkommen, weil keinerlei Strukturen mehr gebildet werden können. 

ADHS-Typ 3: der kombinierte Typ

Qualmt der Kopf schon? Bist du noch bei mir? Einen Typ haben wir noch: den kombinierten ADHS-Typ. Wie der Name schon sagt, finden sich bei Betroffenen mit diesem Typ die Symptome der beiden anderen Typen vereint wieder. Und – wer hätte es gedacht? – dieser Typ ist der häufigste ADHS-Typ, der bei Betroffenen festgestellt wird. Über 60% der Erwachsenen mit AD(H)S leiden unter dem kombinierten Typ.

Ja, ich sage bewusst leiden, da der Leidensdruck tatsächlich bei allen drei Typen ein Diagnostikkriterium ist. Und glaub mir: Wenn man bestimmte Bereiche seines Lebens nicht so unter Kontrolle bekommt, wie man gerne möchte, dann leidet man wirklich darunter! 

Besonders beim kombinierten Typ treten die Symptome phasenweise sowohl intern als auch extern zu Tage. Im Arbeitsalltag ist es bei mir zum Beispiel oft so, dass ich auf meinem Stuhl wippe oder im Stehen hin und her schaukel, während ich versuche, den Nürburgring in meinem Kopf so weit unter Kontrolle zu bekommen, dass ich mich auf meine Recherche oder den zu schreibenden Text konzentrieren kann. 

Geduld ist nicht unsere Stärke

Wir Betroffenen vom Typ 3 können schlecht in Schlangen an der Kasse warten. Fragen beantworten wir meist, bevor die Frage überhaupt zu Ende gestellt ist, wir übernehmen Aufgaben, die eigentlich anderen zugedacht sind oder unterbrechen andere Gespräche, wenn wir eine*n der Gesprächspartner*innen selbst sprechen wollten. Und das waren nur die hyperaktiv-impulsiven Symptome. 

Obendrein wirken wir in Gesprächen, Meetings oder Video-Calls oft abwesend, weil wir Probleme haben, diesen zu folgen. Mit Instruktionen haben wir unsere lieben Probleme, je nachdem, wie sie uns gegeben werden. Aufgaben und neue Hobbies fangen wir enthusiastisch an, können aber ganz schnell unsere Lust und unseren Fokus verlieren, wenn es für uns doch nicht so interessant scheint, wie wir zuerst dachten. Zu viele Aufgaben können wir schwer managen. Es ist wichtig, daher auf uns zugeschnittene Organisations-Hilfen und Strategien zu entwickeln, um beispielsweise bei der Arbeit nicht komplett unterzugehen. 

Zu guter Letzt sind wir Weltmeister*innen darin, Dinge zu verlegen und zu verlieren. Schlüssel, Handy, wichtige Unterlagen – nichts ist davor sicher! 

Was hilft bei den drei ADHS-Typen?

Ganz pauschal lässt sich da keine wirkliche Aussage treffen, weil die Therapie immer auf die jeweilige betroffene Person zugeschnitten sein sollte. Sind Medikamente notwendig? Wenn ja, welche? Und wie viel? Das hängt zusätzlich davon ab, ob noch weitere, komorbide Erkrankungen vorliegen. 

Obendrein sollte eine Therapie festgelegt werden, in der die betroffene Person lernt, bestimmte Schwierigkeiten anders anzugehen. Wie kann ich mit dem Chaos in meinem Kopf umgehen, wenn ich keine Medikamente nehme? Wie kann ich mich selbst antreiben, um das Chaos in meiner Wohnung endlich in den Griff zu bekommen? Wie kann ich mir im Berufsalltag helfen, um meine Aufgaben bewältigen zu können.

Eine Therapie zu bekommen, kann ziemlich lange dauern, denn die Praxen sind aktuell komplett überlaufen. Es gibt einiges an Fachliteratur, aber hier ist es als Laie schwierig zu sagen, welche Tipps darin wirklich für dich passen. Das Ganze kann ziemlich schnell frustrierend werden. 

Sich mit anderen Betroffenen zusammentun ist immer eine gute Idee. Ob in Online-Selbsthilfegruppen oder vor Ort. Dort erhältst du meist viele wertvolle Tipps, die dir im Alltag schon eine ganze Menge helfen können. 

CarinaKludas

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