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ADHS und Autismus: Herausforderungen und Gesundheit

Wenn ADHS und Autismus zusammentreffen, entsteht eine ganz besondere Dynamik. Unsere Gehirne arbeiten dann nicht nur anders als die neurotypischer Menschen – sie stellen uns auch vor die Herausforderung, zwei manchmal völlig gegensätzliche Bedürfnisse zu vereinen. Der autistische Teil sehnt sich nach Routine und Struktur, während der ADHS-Teil nach Abwechslung und Spontanität verlangt, beispielsweise. Was dem einen hilft, kann dem anderen schaden.

Diese inneren Widersprüche prägen unseren Alltag und unsere Gesundheit auf einzigartige Weise. Dazu kommt, dass beide Formen sich gegenseitig maskieren können, was besonders im Erwachsenenalter die Diagnose erschwert. Auf dieser Seite schauen wir uns an, wie wir mit diesen besonderen Herausforderungen umgehen und dabei lernen können, die scheinbaren Gegensätze zu einem stimmigen Ganzen zu vereinen.

Unterschiede in exekutiven Funktionen

Planung, Organisation, Zeitmanagement – diese sogenannten „exekutiven Funktionen“ sind oft unsere größten Herausforderer im Alltag. Dabei zeigen sich bei ADHS und Autismus ganz unterschiedliche Muster: Während ADHS uns oft wie ein übereifriger aber chaotischer Assistent durch den Tag begleitet, der ständig neue Ideen hat aber Schwierigkeiten mit der Umsetzung, gleicht Autismus eher einem perfektionistischen Projektmanager, der jedes Detail plant aber bei unerwarteten Änderungen ins Stolpern gerät. Manchmal aber kann uns diese Exekutive Dysfunktion auch regelrecht lähmen. 

ADHS-spezifische Herausforderungen

  • Schwierigkeiten mit Zeitmanagement und Planung
  • Probleme bei der Priorisierung von Aufgaben
  • Herausforderungen bei der Aktivierung (Task Initiation)
  • Eingeschränkte Objektpermanenz
  • Impulsivität bei Entscheidungen

Autismus-spezifische Herausforderungen

  • Schwierigkeiten bei Planänderungen
  • Probleme beim Wechsel zwischen Aufgaben
  • Herausforderungen bei flexibler Anpassung
  • Bedürfnis nach klaren Strukturen
  • Tendenz zu längeren Entscheidungsprozessen

Konkrete Alltagsherausforderungen

Der Alltag mit ADHS und/oder Autismus kann sich manchmal anfühlen wie ein Hindernislauf, bei dem sich die Regeln ständig ändern. Was für andere selbstverständlich erscheint, kann für uns zu einer echten Herausforderung werden – nicht weil wir nicht fähig oder intelligent genug wären, sondern weil unsere Gehirne einfach anders arbeiten. Dabei bringen beide Formen der Neurodivergenz ihre ganz eigenen Schwierigkeiten mit sich, die sich im täglichen Leben auf verschiedene Weise zeigen können. 

Bei ADHS

Bei Autismus

Bei Beidem

  • Schwierigkeiten mit Terminen und Zeitmanagement durch eingeschränkte Objektpermanenz
  • Probleme bei der Organisation von Haushalt und persönlichen Gegenständen
  • Herausforderungen bei der Aufrechterhaltung von Routinen
  • Impulsive finanzielle Entscheidungen
  • Schwierigkeiten bei der regelmäßigen Kontaktpflege
  • Probleme bei der Fertigstellung längerfristiger Projekte
  • Überforderung durch unvorhersehbare soziale Situationen
  • Schwierigkeiten bei der Navigation durch sensorisch intensive Umgebungen
  • Herausforderungen bei der Anpassung an Veränderungen im Tagesablauf
  • Probleme bei der Interpretation impliziter sozialer Regeln
  • Erschöpfung durch ständiges „Masking“ in sozialen Situationen
  • Schwierigkeiten bei der Verarbeitung mehrerer gleichzeitiger Sinneseindrücke
  • Probleme im traditionellen Bildungs- und Arbeitssystem
  • Schwierigkeiten bei der Alltags-strukturierung
  • Herausforderungen in der Beziehungs-gestaltung
  • Erhöhtes Risiko für Erschöpfung und Burnout
  • Probleme bei der Integration in neurotypisch geprägte Umgebungen

Begleiterkrankungen und psychische Gesundheit

Das Leben mit ADHS und/oder Autismus kann manchmal überwältigend sein. Die ständige Anpassung an eine Welt, die nicht für uns gemacht scheint, die dauernden Missverständnisse und das Gefühl, irgendwie „anders“ zu sein – all das hinterlässt Spuren. Viele von uns entwickeln im Laufe ihres Lebens weitere psychische Erkrankungen, oft als direkte Folge dieser ständigen Herausforderungen. Das ist keine Schwäche und schon gar nicht unsere Schuld – es ist eine natürliche Reaktion auf ein Leben, das uns oft mehr abverlangt als anderen.

Häufige psychische Komorbiditäten bei ADHS

  • Depression und Angststörungen
  • Schlafstörungen
  • Suchterkrankungen
  • Essstörungen
  • Emotionale Dysregulation

Häufige psychische Komorbiditäten bei Autismus

  • Angststörungen
  • Depression
  • Zwangsstörungen
  • Sensorische Verarbeitungsstörungen
  • Selektiver Mutismus

Häufige körperliche Begleiterkrankungen

Ein oft übersehener Aspekt ist die auffällige Häufung bestimmter körperlicher Erkrankungen bei neurodivergenten Menschen. Die Gründe dafür sind vielfältig und noch nicht vollständig erforscht, aber die Verbindungen sind deutlich erkennbar. Dabei zeigen sich interessante Muster, die auf komplexe Zusammenhänge zwischen neurologischer Entwicklung und körperlicher Gesundheit hinweisen.

Neurologische und Entwicklungsbezogene Komorbiditäten:

  • Dyslexie (Lese-Rechtschreib-Schwäche)
  • Dyskalkulie (Rechenschwäche)
  • Dyspraxie (Entwicklungsstörung der Motorik)
  • Dysgraphie (Schreibschwierigkeiten)

Autoimmunerkrankungen und chronische Erkrankungen:

  • Hashimoto-Thyreoiditis (Schilddrüsenerkrankung)
  • Fibromyalgie (chronisches Schmerzsyndrom)
  • Multiple Sklerose
  • Chronisches Erschöpfungssyndrom (ME/CFS)

Bindegewebs- und Kreislauferkrankungen:

  • Ehlers-Danlos-Syndrom (Bindegewebsschwäche)
  • Hypermobilität
  • POTS (Posturales Orthostatisches Tachykardiesyndrom)
  • Verdauungsstörungen und Reizdarmsyndrom

Diese Verbindungen zeigen, wie wichtig ein ganzheitlicher Blick auf die Gesundheit neurodivergenter Menschen ist. Die Erkenntnis dieser Zusammenhänge kann dabei helfen:

  • Frühere Diagnosen und bessere Behandlung zu ermöglichen
  • Präventive Maßnahmen zu entwickeln
  • Das Verständnis für die komplexen Bedürfnisse Neurodivergenter zu vertiefen
  • Bessere medizinische Versorgung zu gewährleisten

Besondere Risiken und Unterstützungsbedarf

Es fällt mir nicht leicht, über dieses Thema zu sprechen, aber es ist zu wichtig, um es zu verschweigen: Neurodivergente Menschen haben ein deutlich erhöhtes Risiko für psychische Krisen und Suizidgedanken. Die Gründe dafür sind vielfältig – von jahrelanger Maskierung und dem Gefühl, nirgendwo richtig hineinzupassen, bis hin zu traumatischen Erfahrungen durch Mobbing oder Ausgrenzung. Besonders schwierig ist es oft für diejenigen, die lange ohne Diagnose und damit ohne Verständnis für ihre eigene Art des Seins leben mussten.

Dies sind keine einfachen Fakten, aber es ist wichtig, dass wir darüber sprechen. Denn nur wenn wir diese Realität anerkennen, können wir auch Wege finden, uns gegenseitig besser zu unterstützen. Die folgenden Zahlen mögen erschreckend sein, aber sie zeigen vor allem eines: Wir müssen als Gesellschaft besser werden im Umgang mit Neurodivergenz.

  • Menschen mit ADHS haben ein mehrfach erhöhtes Risiko für suizidale Gedanken und Verhaltensweisen
  • Bei Autismus zeigen internationale Studien sehr hohe Raten von Suizidgedanken (10.9%–66%) und suizidalen Verhaltensweisen (11%–30%)
  • Das Risiko steigt weiter bei gleichzeitigem Vorliegen beider Diagnosen
  • Besonders gefährdet sind Menschen mit späten oder fehlenden Diagnosen
  • Eine Cambridge-Studie zeigt: Zusätzliche psychische Erkrankungen erhöhen das Risiko weiter

Diese Fakten unterstreichen die immense Bedeutung:

  • Frühzeitiger Diagnosen und angemessener Unterstützung
  • Entstigmatisierung und gesellschaftlicher Akzeptanz
  • Zugänglicher therapeutischer Angebote
  • Präventiver Maßnahmen und Krisenintervention
  • Aufklärung von Betroffenen, Angehörigen und Fachpersonal

Brauchst Du ein offenes Ohr?

Wenn du oder jemand, den du kennst, in einer Krise steckt: Hilfe ist verfügbar. Die Telefonseelsorge ist 24/7 erreichbar unter 0800-1110111 oder 0800-1110222.

Co-Existenz von ADHS und Autismus

ADHS und Autismus werden oft als separate Diagnosen betrachtet, aber die Realität ist viel komplexer und faszinierender. Viele Menschen tragen beide Formen der Neurodivergenz in sich, und das bedeutet nicht einfach eine Addition von Herausforderungen – es entstehen ganz eigene, einzigartige Dynamiken. Manchmal ergänzen sich die verschiedenen Aspekte sogar auf überraschend positive Weise und schaffen Fähigkeiten, die weder ADHS noch Autismus allein hervorbringen würden.

Überschneidungen und Wechselwirkungen

  • Häufiges gemeinsames Auftreten von ADHS und Autismus
  • Komplexe Interaktionen zwischen beiden Formen
  • Mögliche gegenseitige Verstärkung bestimmter Herausforderungen
  • Potenzial für ausgleichende Effekte in manchen Bereichen

Ergänzende und ausgleichende Effekte

  • ADHS-typische Flexibilität kann autistische Routinestärke ergänzen
  • Autistische Detailgenauigkeit kann ADHS-typische Übersicht ausgleichen
  • Kombinierte Stärken bei kreativer Problemlösung
  • Gegenseitige Unterstützung bei unterschiedlichen Herausforderungen

Praktische Implikationen

  • Notwendigkeit individueller Bewertung und Unterstützung
  • Berücksichtigung beider Aspekte in der Therapie
  • Entwicklung kombinierter Strategien
  • Fokus auf persönliche Stärken und Herausforderungen
  • Flexible Anpassung von Unterstützungsangeboten

Gemeinsamkeiten und Unterschiede von ADHS und Autismus

ADHS und Autismus haben nicht nur viele Unterschiede, sie haben auch viel gemeinsam. Neugierig? 

Damit die Seite nicht zu lang wird, habe ich die Themen aufgeteilt. Du findest weitere Themen wie grundlegende Unterschiede oder auch Gemeinsamkeiten hier. 

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