Wer Autismus hört, denkt in der Regel als erstes an die „klassischen“ Beispiele und Charaktere, die uns seit Jahren in Filmen und Serien präsentiert werden. Sheldon Cooper aus „The Big Bang Theory“, Shawn Murray aus „The Good Doctor“, Forrest Gump oder auch Raymond Babbitt aus „Rain Man“. Über die Jahre kamen auch weibliche Charaktere dazu, doch die dargestellten Merkmale waren oft ähnlich:
- Hochintelligent
- Unsozial
- meist schlecht allein lebensfähig
Ein recht eintöniges Bild und dazu ein ziemlich veraltetes Denken über Autismus. Dabei ist Autismus so viel mehr. Vielfältig und auch bunt. Ein Spektrum halt.
Autismus vs. Asperger Syndrom vs. Autismus-Spektrum-Störung
Bis 2013 wurde Autismus noch in mehrere unterschiedliche Kategorien bzw. unterschiedliche Diagnosen unterteilt. Dazu zählten
- Frühkindlicher Autismus (Kanner Autismus)
- Atypischer Autismus
- Asperger Syndrom und
- Nicht näher bezeichnete, tiefgreifende Entwicklungsstörungen.
Diese Diagnosen waren strikt voneinander getrennt und hatten ihre eigenen Diagnosemerkmale. Das Problem daran war, dass Autismus sich eben nicht nur in diesen „klaren Grenzen“ zeigt, sondern auch Mischformen bilden kann, was eine eindeutige Unterscheidung nicht selten unmöglich macht. Wer allerdings nicht in die gebildeten Kategorien passte, wurde nicht diagnostiziert, auch wenn man autistisch war.
Mittlerweile haben Medizin und Wissenschaft auch begriffen, dass Autismus ein Spektrum ist und diese strikten Unterteilungen nach modernen Erkenntnissen nicht mehr passen. Eigentlich nie wirklich gepasst haben.
Mit der Umstellung auf das ICD-11 und das DSM-5 wurde Autismus jetzt in Autismus-Spektrum-Störung umbenannt und als eigenständige, übergreifende Störung anerkannt, welche die oben genannten Unterformen in sich vereint. Die aktuelle Unterteilung findet nach Schweregrad und benötigter Unterstützung statt.
Grad 3 / Level 3: Benötigt sehr beträchtliche Unterstützung
Grad 2 / Level 2: Benötigt beträchtliche Unterstützung
Grad 1 / Level 1: Benötigt Unterstützung
Um das Ganze an dieser Stelle von der Länge nicht ausufern zu lassen, gehen wir auf die drei Schweregrade in einem separaten Artikel ein. Das macht es hoffentlich etwas übersichtlicher.
Was ist überhaupt die Autismus-Spektrum-Störung?
Die Autismus-Spektrum-Störung (auch kurz Autismus oder ASS genannt) ist eine neurologische Entwicklungsstörung, deren spezifische Ursachen noch nicht vollständig geklärt sind. Genetische Faktoren sollen jedoch eine große Rolle spielen, da die Störung in sehr vielen Fällen vererbt wird. Dennoch sind auch weitere Faktoren wie vorgeburtliche Virusinfektionen (wie Röteln) oder Frühgeburten im Verdacht, ihren Teil beizutragen. Was allerdings sicher ist, ist dass mangelnde Zuwendung in der Kindheit nicht dafür verantwortlich ist und auch Impfungen Autismus NICHT auslösen!
ASS: Als Spektrum statt Skala denken!
Mit all den neuen Erkenntnissen in der Medizin und der Wissenschaft wird immer klarer, dass ein Umdenken in Bezug auf Autismus stattfinden muss. Es gibt nicht „die eine autistische Person“, die man als Schablone für alle Betroffenen heranziehen kann. Manche Autist*innen sind nonverbal und sprechen nicht. Andere kommen mit dem alltäglichen Haushalt und Co nicht klar, lassen sich aber im Büro nichts anmerken.
Und besonders was die Unterstützung und den Schweregrad angeht sollte mehr bedacht werden, dass Autismus ein Spektrum ist und nicht als Skala verstanden werden sollte. Level 1 Autismus heißt nicht automatisch, dass die betroffene Person nicht darunter leidet. Level 1 ist nicht gut und Level 3 ist nicht schlecht. Die Störung besitzt viel mehr Facetten, als vielen Außenstehenden bewusst ist.

In der Spektrum-Darstellung wird deutlich, dass viele verschiedene Faktoren davon betroffen sind. Und das sind nur die gängigsten. Die Ausprägung und Stärke variieren von Person zu Person. Der eine Mensch kann anderen Personen überhaupt nicht in die Augen sehen, während ein anderer aufgrund starken Maskings (hierzu kommen wir auch noch mal separat) zwar für eine gewisse Zeit den Augenkontakt halten kann, aber dennoch starke soziale Schwierigkeiten hat. Denn auch diese können sich in den unterschiedlichsten Formen zeigen.
In weiteren Artikeln werde ich ein bisschen Einblick geben, wie Autismus im Alltag auftreten kann. Auch aus meiner persönlichen Erfahrung. Aber es ist immer nur ein kleiner Einblick und kann niemals auf alle autistischen Menschen umgemünzt werden.