Heute sprechen wir über die exekutive Dysfunktion. Nie gehört? Dann pass gut auf!
Stell dir vor, du hast einen wichtigen Termin beim Arzt. Du weißt, dass du rechtzeitig losfahren musst, um nicht zu spät zu kommen. Aber irgendwie schaffst du es nicht, dich fertig zu machen. Du bist abgelenkt von deinem Handy, deiner Katze oder deinen Gedanken. Du vergisst deine Schlüssel oder deine Krankenkarte. Du verlierst den Überblick über die Zeit und merkst erst im letzten Moment, dass du losmusst.
Faul oder krank? Wie die Exekutive Dysfunktion das Leben beeinträchtigt
Wer nicht von Exekutiver Dysfunktion betroffen ist, für den ist oft schwer nachvollziehbar, was das überhaupt ist und wie sie sich auswirkt. Oft wird ADHS-lern oder Autisten vorgeworfen, faul oder undiszipliniert zu sein. Doch das ist weit von der Wahrheit entfernt.
ADHS-ler oder Autisten haben eine andere Gehirnstruktur und -funktion als andere, neurotypische Menschen. Sie können nicht so einfach so ihre Exekutivfunktionen verbessern, wie man einen Muskeln trainieren. Sie brauchen spezielle Hilfen und Strategien, um ihre Schwächen auszugleichen.
Eine Exekutive Dysfunktion kann das Leben von ADHS-lern oder Autisten sehr negativ beeinträchtigen. Sie können zum Beispiel Probleme haben mit:
- Selbstorganisation und Motivation
- Soziale Interaktionen
- Priorisierung und Planung
- Dinge anfangen, durchhalten und beenden
- Emotionale Regulation (Frust, empfundene Ablehnung)
- Fokus aufbauen, halten und umlenken
- Aufmerksamkeit aufbauen und halten
- Zeitwahrnehmung und Zeitmanagement
- Arbeitsgedächtnis (Dinge im Kopf behalten zum Weiterverarbeiten)
- Mentale Flexibilität
- Impulsivität (mental, verbal und physisch)
- Aus Erfahrungen lernen
Was sind eigentlich Exekutivfunktionen?
Exekutivfunktionen sind geistige Fähigkeiten, die uns helfen, unser Verhalten zu steuern und anzupassen. Sie ermöglichen es uns, Ziele zu setzen, Pläne zu machen, Entscheidungen zu treffen, uns an Regeln zu halten, unsere Aufmerksamkeit zu lenken, Fehler zu erkennen und zu korrigieren und flexibel auf Veränderungen zu reagieren.
Exekutivfunktionen sind wichtig für viele Bereiche unseres Lebens wie Lernen, Arbeiten, soziale Interaktionen und Selbstfürsorge. Sie helfen uns auch, unsere Emotionen und Impulse zu regulieren und unsere Motivation aufrechtzuerhalten.
Warum haben ADHS-ler und Autisten häufig eine Exekutive Dysfunktion?
Warum haben gerade ADHS-ler und Autisten so oft eine Exekutive Dysfunktion? Die genauen Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt, aber es gibt einige Erklärungen:
- Bei ADHS ist das Gehirn anders aufgebaut und funktioniert anders als bei anderen Menschen. Es gibt weniger Verbindungen zwischen den verschiedenen Hirnregionen, die für die Exekutivfunktionen zuständig sind. Außerdem gibt es einen Mangel an bestimmten Botenstoffen wie Dopamin oder Noradrenalin, die für die Aufmerksamkeit und Motivation wichtig sind.
- Bei Autismus ist das Gehirn ebenfalls anders strukturiert und arbeitet anders als bei anderen Menschen. Es gibt mehr Verbindungen innerhalb der einzelnen Hirnregionen, aber weniger zwischen ihnen. Das führt dazu, dass Autisten sich oft auf Details konzentrieren, aber das große Ganze aus den Augen verlieren. Außerdem haben sie oft Probleme mit der Verarbeitung von Reizen aus der Umwelt, was sie überfordern kann.
Autisten und ADHS-ler haben eine andere Art zu denken und zu handeln als neurotypische Menschen. Das macht sie nicht schlechter oder dümmer – im Gegenteil. Einige von ihnen haben einen sehr hohen Intelligenzquotienten. Einige sind richtige Genies. Außerdem sind sowohl ADHS-ler als auch Autisten dafür bekannt, sehr ehrlich und loyal zu sein und oft auch sehr kreativ.
Was kann man bei Exekutiver Dysfunktion tun?
ADHS-ler und Autisten können die Exekutive Dysfunktion nicht gänzlich abschalten. Aber in Coachings und Therapiestunden können gezielte Strategien und Werkzeuge erarbeitet werden, um Schwächen der Exekutivfunktionen besonders in den Bereichen wie Priorisieren, Planen, Organisieren, Impuls- und Emotions-Regulierung ausgleichen zu können.
Ohne Hilfe von Dritten ist der Alltag für ADHS-ler und Autisten enorm schwer. Aber was kann oder sollte man tun? Alle Verantwortung abnehmen und in Watte packen? Nein. Und genau das erwarten sie auch nicht. Es bedeutet, dass die Personen in ihrem Umfeld ihnen Hilfestellung bieten und gemeinsam Strategien und Hilfsmittel ausgewählt und genutzt werden.
- Bei Aufgaben, beim Arbeiten und Lernen Timer, Sanduhren oder spezielle Apps nutzen, die Zeit visuell darstellen. Denn darauf reagiert das neurodivergente Gehirn besser als auf bloße Uhren oder Counter
- Abends gemeinsam Rucksäcke und Taschen packen und zusammen kontrollieren, ob alle Materialien da sind
- Situationswechsel rechtzeitig ankündigen, damit man sich darauf einstellen kann
- Fidget-Toys nutzen, um überschüssige Energie zu bündeln und sich besser zu konzentrieren oder selbst zu beruhigen
- Methoden und Strategien zur Impulskontrolle üben (aber bitte auf neurodivergente Menschen abgestimmt, nicht neurotypische!)
Mit einer Exekutiven Dysfunktion zu leben erfordert Geduld, Verständnis und Frust-Toleranz auf allen Seiten. Selbstverständlich ist das Umfeld manchmal genervt. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass es für betroffene Personen noch viel schlimmer ist. Manchmal hilft ein Perspektivwechsel, das Verständnis wieder in Balance zu bringen.