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Komorbide Erkrankungen bei AD(H)S

Wie bereits in unserem Eingangspost zu AD(H)S bei Erwachsenen erwähnt, tritt die Aufmerksamkeitsdefizit-(Hyperaktivitäts-)Störung häufig nicht allein auf. Sehr oft hat sie weitere psychische Erkrankungen oder neurobiologische Störungen im Gepäck wie Depressionen, Angststörungen, Borderline oder auch die Autismus-Spektrum-Störung. Statistiken und Studien gehen davon aus, dass bis zu 80% der AD(H)S-betroffenen Erwachsenen mit einer oder mehreren Begleiterkrankungen leben. (Quelle: ADHS-infoportal)

In diesem Beitrag gehen wir ein wenig näher auf die einzelnen Begleiterkrankungen ein und wie sie sich bei Erwachsenen mit AD(H)S zeigen können. 

Wenn der Schlafrhythmus vom Weg abkommt

Schlafstörungen gehören bei AD(H)S-geplagten Erwachsenen regelmäßig zur Tagesordnung. Manche arbeiten bis spät in die Nacht, weil sie dann von weniger Reizen abgelenkt werden. Andere nutzen jede verfügbare Zeit des Tages, um so viel wie möglich von ihrer To-do-Liste zu streichen. Seien es Hobbies oder Aufgaben. 

Ich selbst ertappe mich immer wieder, dass ich länger wach bleibe, als eigentlich gut wäre – einfach deshalb, weil ich so viel von meinen Hobbies gerne machen würde. Mir fehlt aber eindeutig die Zeit. Ich bräuchte einen 48-Std-Tag und selbst DANN würde es wahrscheinlich noch knapp werden. 

Leider wirkt sich der Schlafmangel alles andere als positiv auf uns aus – und das wissen wir auch. Er macht uns nämlich noch reizbarer, unkonzentrierter und unaufmerksamer, als wir durch unsere AD(H)S ohnehin schon sind. 

Angststörungen und AD(H)S: eine unheilvolle Kombi

Neben Depressionen oder Autismus ist die Angststörung eine der häufigsten Begleiterkrankungen bei AD(H)S. Und das nicht nur bei Erwachsenen. Sie betrifft AD(H)S-ler auch schon im Kindes- und Jugendalter. Und das Tückische: Sie kann immer wieder kommen. Denn Menschen mit AD(H)S sind um ein Vielfaches anfälliger für Angststörungen oder Depressionen als neurotypische Menschen. 

Wie äußern sich Angststörungen im Allgemeinen?

Das hat mit der normalen Ängstlichkeit leider nicht mehr viel zu tun. Die Angst, die viele Betroffene fühlen, steigert sich ins Extreme und kann es unter Umständen sogar schwer oder unmöglich machen, das eigene Zuhause zu verlassen. 

Dabei haben Angststörungen viele verschiedene Gesichter. Von allgemeinen, oft alltäglichen Situationen ohne bestimmten Auslöser (Generalisierte Angststörung) bis hin zu handfesten Phobien wie z. B. vor Spinnen oder auch Prüfungen. 

Die Kombination aus AD(H)S und Angststörung führt dann leider meist zu typischen Alltagsproblemen wie 

  • Generelle Unsicherheit selbst in alltäglichen Situationen
  • permanente innere Unruhe
  • soziale Ängste
  • extreme Angst vor Misserfolgen, verurteilt oder negativ gesehen zu werden

Letzteres hat in englischsprachigen Studien sogar einen eigenen Namen bekommen: Rejection Sensitive Dysphoria. Eine pathologische, extreme Angst vor Ablehnung. Diese kann sich nicht nur in Panikattacken und den üblichen Angstreaktionen äußern, sondern unter anderem auch in physischen Schmerzen. 

Prinzipiell liegt die Wahrscheinlichkeit, dass AD(H)S-Betroffene an einer komorbiden Angststörung erkranken, bei über 40%. 

AD(H)S und Depression: Von der Falschdiagnose bis zur Komorbidität

Erwachsene mit AD(H)S werden in sehr vielen Fällen lange Zeit falsch behandelt. Denn häufig wurde die neurobiologische Störung im Erwachsenenalter von nicht spezialisierten Psychiatern und Psychotherapeuten als Depression diagnostiziert. Der Haken an der Sache ist: Die beiden können in Kombination auftreten. Eine Behandlung auf Depression löst aber die AD(H)S-Probleme nicht. 

Dennoch ist die Depression eine der häufigsten Komorbiditäten bei AD(H)S. Und mit auch ein Grund, warum die Suizidrate bei AD(H)S-Betroffenen um ein Vielfaches höher ist als bei neurotypischen Menschen. 

 

Depression bei AD(H)S – weit mehr als “nur” schlecht drauf

Tiefphasen, in denen man sich bedrückt fühlt, zu nichts mehr richtig Lust hat und sich nicht aufraffen kann, kenn jeder Mensch. Den Satz “Jeder ist doch mal deprimiert” haben wir schon sehr häufig gehört. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Bei depressiven Menschen sind verschiedene Botenstoffe im Gehirn aus dem Gleichgewicht geraten. Und zwar die, welche im Gehirn die Empfindung von Gefühlen regeln. Dadurch ist der Stoffwechsel im Gehirn verändert. Und das hat nichts mit den allgemein bekannten sporadischen Tiefphasen zu tun. 

Stress, Dauerbelastung und ähnliches können zu so einer Störung der Hirnfunktion führen. Das wiederum löst dann eine sogenannte depressive Episode aus. Betroffene fühlen sich dauerhaft erschöpft, kraftlos, haben zu nichts mehr Lust und können sich auf viele Dinge, die ihnen vorher Spaß gemacht haben, nicht mehr freuen. Es stellt sich eine Art Emotionslosigkeit ein. Viele müssen sich massiv anstrengen, um morgens überhaupt aus dem Bett zu kommen. 

Depression und AD(H)S – die Abwärtsspirale

AD(H)S-Betroffene erleben oft das Gefühl, dass sie nicht ganz in ihr Umfeld passen. Weil sie in Teilen ziemlich anders funktionieren als die Menschen um sie herum. Das gilt auch für die Arbeit. Besonders dort bemühen sie sich aber massiv, sich anzupassen. Das erfordert viel Energie. Energie, die Hyperaktivität oder Konzentrationsprobleme im Zaum zu halten. Energie, sich unauffällig zu verhalten und möglichst den Kollegen anzupassen. Das führt schnell zu Erschöpfung. Über Wochen und Monate fortgeführt, kann diese Dauerbelastung schlussendlich in Depression umschlagen. 

Die eigene Energie richtet sich gegen sich selbst. Die Unzufriedenheit mit den eigenen Ergebnissen und Ansprüchen steigt. Und dennoch versuchen sie weiterhin, alle Kraft aufzubringen, um dagegenzuhalten. Doch irgendwann ist die Kraft aufgebraucht. Die Betroffenen fühlen sich letztendlich mit allem überfordert, das negative Feedback nimmt zu und tut sein übriges. 

Borderline: Wenn das Leben zur Achterbahn wird

Die Borderline Persönlichkeitsstörung für sich genommen macht Betroffene schon stark impulsiv. In Kombination mit AD(H)S, deren Kernsymptom ja ebenfalls Impulsivität ist, wird das Alltagsleben manchmal zu einem wahren Pulverfass. 

Die Stimmung bei Betroffenen mit Borderline und AD(H)S kann mitunter sehr instabil sein. Die Stimmungsschwankungen können über ärgerlich bis hin zu gewalttätig variieren. Sie sind oft nicht besonders kritikfähig, emotional sehr verletzlich, führen intensive aber unbeständige Beziehungen und fühlen sich oft innerlich leer. 

Da ihr Leben meist von Krisen und Katastrophen geprägt ist, neigen viele von ihnen auch zu selbstverletzendem Verhalten und auch Suizidversuche kommen vermehrt vor. 

Durch die Kombination von Borderline und AD(H)S oder anderen Erkrankungen werden die eigentlichen Probleme und Beeinträchtigungen verstärkt. Dadurch nimmt der Leidensdruck immer mehr zu und die Lebensqualität im Gegenzug ab. 

Starke Probleme mit der Identität und im zwischenmenschlichen Bereich

Borderline-Betroffene wissen häufig nicht, wer sie sind und was sie wollen. Sie haben das Gefühl, sich selbst fremd zu sein. Anders zu sein als andere. (Was übrigens auch ein Zeichen für Autismus sein kann.)  Besonders im zwischenmenschlichen Bereich haben sie massive Probleme. Sie haben enorme Angst, verlassen zu werden, haben Probleme mit dem Wechsel von Nähe und Distanz. Viele von ihnen fühlen sich allein wertlos und nur durch den Partner wertvoll oder wenn sie etwas für diesen oder andere Personen tun. 

Überlappungen zwischen Borderline und AD(H)S

Besonders mit Blick auf die Emotionsregulation, die Stimmungsschwankungen und auch die Impulsivität gibt es deutliche Überlappungen zwischen den beiden Störungen. Bei AD(H)S sind die Symptome jedoch meist schwächer ausgeprägt. 

Treten beide Erkrankungen zusammen auf, ist das Risiko für beispielsweise eine zusätzliche Suchterkrankung wie Alkoholabhängigkeit oder Betäubungsmittelsucht noch stärker erhöht, als bei jeder der beiden Störungen für sich genommen. 

AuDHS - Die Autismus-ADHS-Kombi

AD(H)S und Autismus haben eine prägnante Gemeinsamkeit: Sie wurden bisher beide – und insbesondere bei Frauen – häufig erst im Erwachsenenalter erkannt. Doch sie haben noch mehr gemeinsam: Die Kernsymptome der AD(H)S (Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität) sind nämlich auch gleichzeitig die häufigsten Begleiterscheinungen der Autismus-Spektrum-Störung. 

Das macht die Diagnose-Reise für manche Erwachsene zu einem wahren Abenteuer. Nicht selten wird nämlich AD(H)S diagnostiziert, obwohl eigentlich die Autismus-Spektrum-Störung vorliegt – oder sogar beides in Kombination. Betroffene mit der AD(H)S-Autismus-Kombi haben massive Probleme beim Strukturieren von Arbeitsabläufen. Besonders im privaten Alltag. Desorganisation ist ein ebenso großes Thema. Es fällt ihnen schwer, Prioritäten zu setzen. Doch das sind nur ein paar Beispiele. 

Du siehst: Die Begleiterkrankungen von AD(H)S sind vielfältig. Und ich habe hier nur ein paar von ihnen genannt. Wir werden in späteren Beiträgen noch auf mehrere gezielter eingehen.

Viele von ihnen werden noch vor AD(H)S als eigentlicher Ursache erkannt, was für viele Betroffene den Leidensweg unnötig in die Länge zieht. Deshalb ist eine korrekte Diagnose letztendlich auch für viele eine kleine Erlösung: Weil sie endlich wissen, warum vorher keine Therapie oder keine Medikamente wirklich und auf alle Probleme gewirkt haben. Steht die korrekte Diagnose fest, können gezielte Therapiewege und Maßnahmen für den Alltag eingeleitet werden, um das Leben etwas zu erleichtern und mit der Störung besser umgehen zu können. 

CarinaKludas

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