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Landesweiter Warntag: Für mich als Autistin der pure Horror

Heute war der landesweite Warntag in Deutschland. Kurz zur Auffrischung: Das heißt, heute wurden landesweit alle Sirenen getestet, ob sie funktionieren und gut zu hören sind. Zusätzlich wurden das zum letzten Warntag neu eingeführte Broadcasting-System für Mobiltelefone und die Apps Katwarn und NINA getestet. Dieser bundesweite oder landesweite Warntag wird ja jedes Mal im Voraus angekündigt. Trotzdem ist es für mich immer der reinste Horror. Ich erzähl euch auch warum. 

Landesweiter Warntag als Autistin: Konstante Anspannung von morgens an

Ich weiß nicht, wie es anderen Autist*innen damit geht, aber ich bin jedes Mal schon nach dem Aufstehen angespannt, wenn ich weiß, dass im Laufe des Tages die Sirenen losgehen werden. 

Jetzt sollte man meinen: Der landesweite Warntag ist ja angekündigt, man kann sich drauf vorbereiten – alles halb so wild. Für mich als Autistin leider nicht. Denn je näher die Uhrzeit rückt, an dem die Sirenen getestet werden sollen, desto unruhiger werde ich. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren, mein Herz fängt an zu rasen, meine Hände fangen an zu zittern. Das mag für die einen oder anderen Personen vielleicht übertrieben klingen, dennoch können wir Autist*innen unsere Reaktionen auf bestimmte Situationen leider nicht immer kontrollieren. Bei mir ist das leider eine von diesen. 

Ich fühle mich wie ein Schnellkochtopf, in dem der Druck immer weitersteigt, bis am Ende der kleine Knopf rausspringt, um Dampf abzulassen, damit einem der Topf nicht um die Ohren fliegt. 

Die Stunde der Testung: Meltdown light

Als heute die Sirenen und das Broadcasting-System losgingen, war ich gerade über WhatsApp mit meinem Sohn am schreiben. Ich hatte das Smartphone also direkt in den Händen, als dieser feuerrote Warnbildschirm aufleuchtete und dieser durchdringende Signalton sich unerwartet richtiggehend in mein Gehirn fraß. 

Ich zuckte zusammen und ließ das Smartphone vor mir auf die Strickjacke am Boden fallen. Ich fühlte meine Herzschläge bis in meinen Hals hinein und hatte plötzlich wahnsinniges Rauschen und Druck in den Ohren. Meine Hände fingen an zu zittern und ich merkte, wie sich in meiner Kehle der typische Kloß bildete. 

Mein Gehirn war mit der Situation überfordert, obwohl ich wusste, dass sie eintreten würde. Dieser schrille Signalton hatte mein Gehirn so getriggert, dass ich das Schluchzen nicht mehr zurückhalten konnte und es für zwei Minuten chancenlos aus mir heraus- und ich in Tränen ausbrach. Ohne, dass ich auch nur die geringste Möglichkeit hatte, dem auszuweichen. 

Nach dem kurzen Moment gelang es mir mithilfe von Atemübungen, mich wieder unter Kontrolle zu bekommen – als die Sirenen draußen immer lauter wurden. Ich presste mir die Hände auf die Ohren und summte vor mich hin, um sie nicht hören zu müssen. Ja, im Ernstfall wäre das suboptimal – aber ich wusste ja zum Glück, dass es kein Ernstfall war. 

NINA und Katwarn glatter FAIL zum landesweiten Warntag

Ich hatte mir vor ein paar Jahren sowohl NINA als auch Katwarn aufs Smartphone geladen. Und obwohl ich alle Benachrichtigungen eingeschaltet habe, mein Telefon für beides kompatibel ist  und ich sowohl WLAN als auch mobile Daten eingeschaltet hatte – habe ich keinerlei Warnung von beiden Apps bekommen. 

Nichts. Nada. Nix. Sehr erbaulich für einen potenziellen wirklichen Ernstfall. Witzigerweise haben sie mir beide eine ENT-Warnung geschickt. Gut, die hätte mir im Ernstfall auch nichts mehr genutzt, wenn ich dank der fehlenden Warnung hops gegangen wäre. 

Landesweiter Warntag: sinnvolle Übung und Stress pur gleichzeitig

Versteht mich nicht falsch: Ich halten den bundesweiten oder landesweiten Warntag für sinnvoll und wichtig. Denn ohne diese wüsste ich – und wahrscheinlich viele andere auch nicht – wie die Sirenen im Ernstfall klingen würden, welche Sirene was bedeutet und wie man sich verhalten sollte

Dennoch bedeuten diese Warntage psychischen Stress. Für mich als Autistin und wahrscheinlich viele andere Autist*innen auch. Ebenso für viele Senioren im hohen Alter, die wahrscheinlich den zweiten Weltkrieg noch miterlebt haben und für die Sirenen damals an der Tagesordnung waren. 

Und nicht zu vergessen, die Kriegsflüchtlinge, die sich aktuell in unserem Land aufhalten und vor ebensolchen Sirenen bzw. dem, was sie eigentlich bedeuten, geflohen sind. Vor Krieg und Katastrophen. 

So sinnvoll dieser Tag auch ist, ich bin jedes Mal froh, wenn die Übung vorbei ist. Denn dann brauche ich dennoch ein paar Stunden, bis mein Gehirn von diesem Stress wieder “herunterfährt”. 

Wie geht es dir mit dem bundesweiten oder landesweiten Warntag? Nimmst du die Sirenen beiläufig war oder machen sie was mit dir? Schreib es mir gerne in die Kommentare. 

CarinaKludas

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