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LGBTQIA+ und Neurodivergenz

Neurodivergenz und queere Identitäten haben mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Viele neurodivergente Menschen identifizieren sich auch als Teil der LGBTQIA+ Community. Diese Überschneidung ist kein Zufall, sondern spiegelt grundlegende Gemeinsamkeiten wider: Beide Gruppen weichen von gesellschaftlichen Normen ab, machen Erfahrungen von Stigmatisierung und Ausgrenzung und müssen oft für ihre Rechte und Anerkennung kämpfen.

Gleichzeitig bringt die Kombination von Neurodivergenz und queerer Identität spezifische Herausforderungen mit sich. Doppelte Diskriminierung, Barrieren im Zugang zu Unterstützung und fehlende Repräsentation sind nur einige der Themen, mit denen sich neurodivergente LGBTQIA+ Menschen auseinandersetzen müssen.

Überschneidungen und Besonderheiten

Studien zeigen, dass ein überproportional hoher Anteil neurodivergenter Menschen sich auch als Teil der LGBTQIA+ Community identifiziert. Die Gründe dafür sind vielfältig und noch nicht abschließend erforscht, aber es lassen sich einige Überschneidungen und Besonderheiten beobachten:

Nonkonformität als gemeinsamer Nenner

Sowohl Neurodivergenz als auch queere Identitäten weichen von gesellschaftlichen Normen und Erwartungen ab. Während Neurodivergenz eine andere Art der Informationsverarbeitung und Wahrnehmung bedeutet, beschreiben LGBTQIA+ Identitäten ein Abweichen von normativen Vorstellungen zu Geschlecht und Sexualität. Aktuelle Forschungsansätze und Theorien versuchen, mögliche Gründe für die häufige Überschneidung dieser Erfahrungen zu erklären:

  1. Reduzierte Orientierung an sozialen Normen: Neurodivergente Menschen, insbesondere jene mit Autismus, lassen sich oft weniger von gesellschaftlichen Erwartungen beeinflussen. Dies kann zu einer größeren Offenheit führen, diverse Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen zu erkunden und anzunehmen (Quelle: LGBTQ+ Community Center Vermont).
  2. Intensivere sensorische und emotionale Erfahrungen: Manche neurodivergente Menschen erleben sensorische und emotionale Reize stärker, was zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität und Geschlechtsidentität führen kann.
  3. Zugang zu Community und Ressourcen: Die Überschneidung von neurodivergenten und LGBTQIA+ Communities bietet Einzelnen Zugang zu geteilten Erfahrungen und Ressourcen. Dies kann zu einem besseren Verständnis und einer stärkeren Akzeptanz der eigenen Identität beitragen.
  4. Neuroqueer-Theorie: Dieser Ansatz untersucht die Schnittstelle von Neurodiversität und queeren Identitäten und hinterfragt gesellschaftliche Normen sowohl in Bezug auf neurokognitive Funktionen als auch auf Geschlecht und Sexualität. „Neuroqueering“ bedeutet demnach, die eigene Neurodivergenz so auszudrücken, dass dabei auch traditionelle Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität dekonstruiert werden.

Diese Theorien bieten wertvolle Einblicke, können das komplexe Verhältnis von Neurodivergenz und Queerness aber nicht abschließend erklären. Es braucht weitere Forschung, um die zugrunde liegenden Faktoren vollständig zu verstehen. Beide Erfahrungen können mit einem Gefühl des „Andersseins“ einhergehen und die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität beeinflussen.

Kurz zusammengefasst

Häufig lässt sich eine Überschneidung von Neurodivergenz und "Queerness" feststellen. Ob es die Geschlechtsidentität betrifft oder die sexuelle Orientierung oder beides. Allerdings bedeutet das nicht, dass Neurodivergenz und Queerness immer zusammenhängen.

Neurodivergenz und Geschlechtsidentität

Einige Studien deuten darauf hin, dass neurodivergente Menschen häufiger eine nichtbinäre oder fluide Geschlechtsidentität haben als neurotypische Menschen. Mögliche Erklärungen dafür sind:

  • Ein anderes Verhältnis zu sozialen Normen und Erwartungen
  • Ein stärker analytischer oder losgelöster Blick auf Geschlechterrollen
  • Eine direkte und unverblümte Art, die eigene Identität auszudrücken
  • Eine erhöhte Sensibilität für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse

Allerdings ist hier Vorsicht geboten: Neurodivergenz determiniert keine bestimmte Geschlechtsidentität, und nicht alle neurodivergenten Menschen sind trans oder nichtbinär. Hier von einer Kausalität auszugehen, würde den individuellen Identitätsfindungsprozess jedes Menschen ausblenden.

Herausforderungen und Diskriminierung

Neurodivergente LGBTQIA+ Menschen machen oft spezifische Erfahrungen, die sich aus der Kombination beider Identitäten ergeben. Das kann manchmal zu besonderen Herausforderungen führen – sei es durch Mehrfachdiskriminierung, Hürden beim Zugang zu passender Gesundheitsversorgung oder das Gefühl, nirgendwo so ganz dazuzugehören.

Viele von uns haben ein etwas anderes Verhältnis zu gesellschaftlichen Normen und Konventionen. Wir nehmen soziale Signale, sensorische Reize und Emotionen oft intensiver oder anders wahr als der Durchschnitt. Das macht uns auf der einen Seite besonders sensibel für Ausgrenzung und Stigmatisierung. Wenn man überall als „anders“ auffällt, tut Ablehnung einfach mehr weh.

Auf der anderen Seite bringt unsere Perspektive auch viele Geschenke mit sich: Wir hinterfragen Selbstverständlichkeiten, denken Out-of-the-Box und haben oft eine besondere Empathie für andere Außenseiter:innen. Trotzdem brauchen auch wir Räume, in denen wir uns vollkommen zugehörig und verstanden fühlen. Orte, an denen unsere speziellen Bedürfnisse respektiert und wertgeschätzt werden.

Der Regenbogen ist für alle da?

Die LGBTQIA+ Community ist für viele von uns so ein Ort der Zugehörigkeit. Hier finden wir Verbündete, die wissen, wie es sich anfühlt, von der Norm abzuweichen. Queere Räume und Events sind oft Oasen, in denen wir einfach sein können, wie wir sind.

Aber auch hier stoßen wir manchmal an Grenzen, wenn es um Verständnis für unsere neurodivergenten Besonderheiten geht. Vielleicht geht es dir ja ähnlich:

  • Bei Pride-Events fühlst du dich durch die Menschenmassen, die Musik und die vielen Eindrücke schnell überfordert. Du würdest gerne mitfeiern, aber bräuchtest zwischendurch Rückzugsorte, um dich zu regulieren.
  • In Gesprächen mit anderen Queers fällt es dir manchmal schwer, den sozialen Konventionen zu folgen. Small Talk oder indirekte Kommunikation liegen dir nicht so sehr – du sagst lieber gleich, was Sache ist. Nicht böse gemeint, aber es kommt nicht immer gut an.
  • Manche deiner Verhaltensweisen – zum Beispiel Stimming oder eine sehr direkte Art zu kommunizieren – werden als „merkwürdig“ oder „unpassend“ gelesen, statt als das akzeptiert zu werden, was sie sind: Ausdruck deiner Neurodivergenz.
  • Die meisten Veranstaltungen und Treffpunkte sind auf neurotypische Bedürfnisse ausgerichtet. Reizarme Räume, Awareness-Konzepte für unterschiedliche Kommunikationsbedürfnisse oder Peer-Support sind noch zu selten ein Thema.
  • In Büchern, Filmen oder Serien mit LGBTQIA+ Charakteren kommen neurodivergente Queers so gut wie gar nicht vor. Du vermisst Vorbilder, die so sind wie du.

Kurz gesagt: Manchmal passt du auch in der Regenbogenfamilie nicht ganz rein. Das kann wehtun und verunsichern. Es kann Zweifel nähren, ob man irgendwo wirklich ganz dazugehört.

Aber das muss nicht so bleiben. Was es braucht, ist mehr Dialog, Sichtbarkeit und Verständnis – in alle Richtungen. Die queere Community muss noch inklusiver werden und die spezifischen Erfahrungen und Bedürfnisse neurodivergenter LGBTQIA+ Personen stärker mitdenken. Dafür müssen wir selbst noch lauter und deutlicher werden.

Wie genau? Indem wir unsere Geschichten erzählen, unsere Bedürfnisse klar kommunizieren und uns einsetzen für eine Community, in der auch wir ganz und gar dazugehören. Der Weg dahin ist lang, aber gemeinsam können wir ihn gehen. In Verbundenheit und Solidarität – mit all unseren wunderbaren Facetten und Eigenheiten.

Kurz zusammengefasst:

Auch in der LGBTQIA+ Community stoßen neurodivergente Menschen manchmal auf Hürden und Unverständnis. Mehr Dialog, Sichtbarkeit und gegenseitige Unterstützung sind der Schlüssel für echte Inklusion.

Intersektionalität und Mehrfachdiskriminierung – Wenn Ausgrenzung doppelt wehtut

Stell dir vor, du bist anders als die Norm – und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht. Du liebst anders, du denkst anders, du nimmst die Welt anders wahr. Jedes dieser Merkmale für sich kann schon zu Ausgrenzung und Diskriminierung führen. Aber was, wenn sie zusammenkommen? Wenn du als neurodivergente Person auch noch queer bist? Dann sprichst du von Mehrfachdiskriminierung.

Was bedeutet Mehrfachdiskriminierung konkret?

Mehrfachdiskriminierung heißt, dass du Ausgrenzung und Abwertung nicht nur aus einem Grund erfährst, sondern gleich aus mehreren. Im Fall von neurodivergenten LGBTQIA+ Personen sind das mindestens zwei:

  1. Deine sexuelle Orientierung und/oder geschlechtliche Identität: In einer heteronormativen und cis-normativen Gesellschaft gelten Schwule, Lesben, Bisexuelle, trans, inter und non-binäre Personen als „von der Norm abweichend“. Das führt oft zu Stigmatisierung, Ausgrenzung, Diskriminierung oder sogar Gewalt.
  2. Deine neurologische Verfasstheit: Auch Neurodivergenz ist in unserer Gesellschaft noch lange nicht als gleichwertige Variante menschlicher Vielfalt anerkannt. ADHS, Autismus & Co werden oft als Störungen oder Defizite gesehen. Die Folge: Vorurteile, Unverständnis und strukturelle Barrieren.

Nun stelle dir vor, diese beiden Formen der Diskriminierung kommen zusammen. Sie überschneiden und verstärken sich gegenseitig. Als würdest du Ablehnung im Quadrat erleben. Genau das ist es, was wir Mehrfachdiskriminierung oder Intersektionalität nennen.

Welche Auswirkungen kann das haben?

Die ständige Erfahrung, nirgendwo ganz „normal“ und zugehörig zu sein, hinterlässt Spuren:

  • Ein erhöhtes Risiko für psychische Belastungen: Wenn du immer wieder die Botschaft bekommst, dass du „falsch“ bist, kann das dein Selbstwertgefühl und deine psychische Gesundheit stark beeinträchtigen. Studien zeigen, dass neurodivergente LGBTQIA+ Personen überdurchschnittlich häufig von Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen betroffen sind.
  • Erfahrungen von Ablehnung in mehreren Lebensbereichen: Als neurodivergente queere Person kannst du in vielen Kontexten Ausgrenzung erleben – in der Schule, am Arbeitsplatz, im Gesundheitssystem, in der Familie oder im Freundeskreis. Selbst in der LGBTQIA+ Community oder in Neurodivergenz-Räumen kannst du dich manchmal „zu anders“ fühlen. Dieses Gefühl, nirgends ganz dazuzugehören, kann sehr belastend sein.
  • Internalisierte Stigmata und Selbstzweifel: Wenn du oft genug hörst, dass mit dir etwas nicht stimmt, dann glaubst du es irgendwann vielleicht selbst. Viele von uns haben verinnerlicht, dass sie „nicht okay“ sind. Sie zweifeln an sich, verstecken Teile ihrer Identität oder strengen sich übermäßig an, um dazuzugehören. Aber das hat seinen Preis.

Was können wir tun?

Es ist keine leichte Situation – aber es gibt Möglichkeiten, damit umzugehen und Veränderung zu schaffen. Ein paar Ansätze:

  1. Doppelte Sichtbarkeit schaffen: Erzählen wir unsere Geschichten, machen wir unsere Lebensrealitäten sichtbar – in unseren Communities und darüber hinaus. Je mehr neurodivergente queere Personen öffentlich auftreten, desto mehr geraten unsere spezifischen Erfahrungen und Bedürfnisse in den Blick. Repräsentation und Vorbilder sind wichtig!
  2. Intersektionale Räume und Angebote schaffen: Wir brauchen mehr Räume und Unterstützungsangebote, die unsere mehrfachen Zugehörigkeiten von vornherein mitdenken. Orte, an denen wir nicht den einen oder anderen Teil von uns „an der Tür abgeben“ müssen, sondern ganz und gar willkommen sind. Lasst sie uns gemeinsam aufbauen!
  3. Solidarische Netzwerke bilden: Wir müssen uns gegenseitig unterstützen, füreinander einstehen und uns vernetzen. Als neurodivergente LGBTQIA+ Personen können wir einander oft am besten verstehen und stärken. Der Austausch mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen, kann ermutigend und heilsam sein. Gemeinsam sind wir stärker!
  4. Das Bewusstsein in der Mehrheitsgesellschaft schärfen: Auch neurotypische und cishet Personen müssen für Mehrfachdiskriminierung sensibilisiert werden. Durch Aufklärung, Diskussionen und politische Arbeit können wir dazu beitragen, dass intersektionale Perspektiven selbstverständlicher werden – in allen gesellschaftlichen Bereichen.
  5. Uns selbst mit Mitgefühl begegnen: Wir können die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht von heute auf morgen ändern. Aber wir können uns bewusst machen, dass die Ausgrenzung und Abwertung, die wir erfahren, nicht an uns selbst liegt. Wir sind okay so wie wir sind – in all unseren wunderbaren queeren, neurodivergenten Facetten!

Mehrfachdiskriminierung ist eine knallharte Realität für viele von uns – aber sie definiert uns nicht. Mit Sichtbarkeit, Community-Building und Selbstakzeptanz können wir uns Räume der Zugehörigkeit schaffen und hoffe, langsam, aber stetig die Welt um uns herum zu verändern. Was uns ehrlich gesagt durch die politische Lage weltweit nicht gerade einfacher gemacht wird. Aber Hoffnung aufgeben ist nicht unser Ding! Wir sind vielleicht eine Minderheit, aber gemeinsam können wir viel erreichen!

Zugang zu Gesundheitsversorgung und Unterstützung

Neurodivergente LGBTQIA+ Menschen stoßen oft auf Barrieren, wenn sie Zugang zu affirmativer Gesundheitsversorgung und Unterstützung suchen. Herausforderungen können sein:

  • Mangel an Fachpersonal mit Verständnis für Neurodivergenz und LGBTQIA+ Themen
  • Risiko von Fehldiagnosen oder Nichtbeachtung eines Aspekts
  • Pathologisierung oder Infragestellung der Identität
  • Fehlende Kostenübernahme für spezifische Angebote
  • Mangelnde Barrierefreiheit von Unterstützungsangeboten

Um hier Abhilfe zu schaffen, braucht es zum einen mehr Schulung und Sensibilisierung von Fachpersonal. Zum anderen müssen Angebote geschaffen werden, die explizit auf die Bedürfnisse neurodivergenter LGBTQIA+ Menschen ausgerichtet sind und deren Erfahrungen ganzheitlich berücksichtigen.

Umgang mit Stigmatisierung und Vorurteilen

Neurodivergente LGBTQIA+ Menschen sind in besonderer Weise von Stigmatisierung und Vorurteilen betroffen. Mythen und Stereotypen über Neurodivergenz vermischen sich mit Homo-, Trans- und Interfeindlichkeit zu einem Cocktail der Ausgrenzung.

Strategien zum Umgang damit können sein:

  • Selbstfürsorge und Abgrenzung von toxischen Einflüssen
  • Aufbau eines unterstützenden Umfelds
  • Vernetzung mit Gleichgesinnten und Verbündeten
  • Sichtbarmachung der eigenen Erfahrungen und Perspektiven
  • Engagement in Aufklärungs- und Antidiskriminierungsarbeit

Letztlich geht es darum, sich von verinnerlichten Stigmata zu befreien und die eigene Identität selbstbewusst zu vertreten. Dafür braucht es Räume der Bestärkung ebenso wie gesamtgesellschaftliches Umdenken.

Beziehungen und Community

Die Überschneidung von Neurodivergenz und LGBTQIA+ Identität bringt auch spezifische Themen für Beziehungen und Community-Aufbau mit sich. Hier geht es darum, Räume zu schaffen, in denen die eigenen Erfahrungen verstanden und wertgeschätzt werden und in denen ein Gefühl der Zugehörigkeit entstehen kann.

Queere Beziehungen und Neurodivergenz

Queere Beziehungen, in denen ein oder mehrere Partner:innen neurodivergent sind, haben ihre eigenen Dynamiken und Besonderheiten. Themen können sein:

  • Unterschiedliche Kommunikationsbedürfnisse und -stile
  • Verschiedene sensorische Profile und Bedürfnisse
  • Umgang mit exekutiven Funktionen und Energiemanagement
  • Aushandlung von Bedürfnissen nach Nähe und Autonomie
  • Rolle von Spezialinteressen und Routinen in der Beziehung

Der Schlüssel liegt hier in offener Kommunikation und dem Willen, die Perspektive des:der anderen zu verstehen. Es geht darum, die Beziehung als Raum zu gestalten, in dem alle Partner:innen mit ihren spezifischen Bedürfnissen und Eigenheiten gesehen und wertgeschätzt werden.

Kommunikation von Bedürfnissen und Grenzen

Gerade für neurodivergente Menschen, die oft schlechte Erfahrungen mit Ablehnung und Unverständnis gemacht haben, kann es schwierig sein, in Beziehungen offen über die eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu kommunizieren. Hier können helfen:

  • Selbstreflexion über eigene Bedürfnisse und Triggerpunkte
  • Vereinbarung von klaren Kommunikationsregeln und -zeiten
  • Nutzung von schriftlicher Kommunikation oder Bildern
  • Respekt für Rückzugsbedürfnisse und Zeiten der Nicht-Kommunikation
  • Regelmäßige „Beziehungs-Check-Ins“ und Anpassung von Vereinbarungen

Letztlich geht es darum, eine Beziehungskultur zu schaffen, in der beide Partner:innen sich sicher und wertgeschätzt fühlen und in der Verschiedenheit als Bereicherung und nicht als Problem gesehen wird.

Selbstvertretung und Sichtbarkeit

Damit sich die Situation neurodivergenter LGBTQIA+ Menschen nachhaltig verbessern kann, braucht es mehr Sichtbarkeit und Repräsentation ihrer spezifischen Perspektiven und Erfahrungen. Dafür ist sowohl die Selbstvertretung Betroffener als auch die Unterstützung durch Verbündete zentral.

Wie neurodivergente queere Menschen sichtbar werden können

Es gibt viele Möglichkeiten, als neurodivergenter LGBTQIA+ Mensch sichtbar zu werden und die eigenen Erfahrungen in Debatten und Entscheidungsprozesse einzubringen:

  • Das Teilen der eigenen Geschichte in sozialen Medien oder Blogs
  • Die Teilnahme an Podiumsdiskussionen, Interviews oder Dokumentationen
  • Engagement in Selbstvertretungsorganisationen und -initiativen
  • Durchführung eigener Forschungsprojekte oder Befragungen
  • Vernetzung mit anderen Aktivist:innen und Multiplikator:innen

Sichtbarkeit bedeutet nicht für alle dasselbe und muss nicht immer ein öffentliches Coming-Out bedeuten. Auch im Privaten, im Freundeskreis oder im Job authentisch über die eigenen Erfahrungen zu sprechen, kann einen wichtigen Beitrag leisten.

Bedeutung von Repräsentation und Vorbildern

Je mehr neurodivergente LGBTQIA+ Menschen sichtbar werden, desto größer wird auch das Angebot an Vorbildern und Identifikationsfiguren. Dies ist besonders wichtig für junge Menschen, die oft noch auf der Suche nach der eigenen Identität sind.

Positive Repräsentation in Medien, Politik oder Kultur kann:

  • Das Spektrum vorstellbarer Lebensentwürfe erweitern
  • Gefühle von Isolation und „Falsch-Sein“ verringern
  • Zugang zu Informationen und Ressourcen erleichtern
  • Das Coming-Out und die Selbstakzeptanz unterstützen
  • Zur Entstigmatisierung in der Gesamtgesellschaft beitragen

Repräsentation allein reicht nicht aus, um Diskriminierung und Barrieren abzubauen. Sie ist aber ein wichtiger Schritt hin zu mehr Akzeptanz und Verständnis für die Lebensrealitäten neurodivergenter LGBTQIA+ Menschen.

Selbstvertretung und Aktivismus

Wenn es darum geht, die Rechte und Interessen neurodivergenter LGBTQIA+ Menschen zu vertreten und einzufordern, führt kein Weg an der Selbstvertretung Betroffener vorbei. Egal ob im direkten Umfeld, in der queeren Community oder auf politischer Ebene – die Stimmen neurodivergenter LGBTQIA+ Menschen müssen gehört und ernst genommen werden.

Möglichkeiten des Engagements gibt es viele:

  • Mitarbeit in Selbsthilfe- und Selbstvertretungsgruppen
  • Organisation von Informationsveranstaltungen und Workshops
  • Beteiligung an Protestaktionen und Kampagnen
  • Vernetzung mit anderen Aktivist:innen und Organisationen
  • Einmischung in politische Entscheidungsprozesse und Gremien

Aktivismus kann auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Formen stattfinden. Wichtig ist, dass er von den Betroffenen selbst gestaltet wird und deren spezifische Perspektiven und Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt.

Aktivismus und politische Lage

In vielen Ländern sehen sich queere und neurodivergente Menschen zunehmend mit politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen konfrontiert, die ihre Sicherheit gefährden können:

  • Vermehrte queerfeindliche Gesetzesinitiativen und Einschränkungen von LGBTQIA+ Rechten
  • Zunehmende Hassrhetorik und Gewalt gegen marginalisierte Gruppen
  • Infragestellung von Unterstützungsangeboten für neurodivergente Menschen
  • Verstärkte Pathologisierung von Neurodivergenz und queeren Identitäten

Diese Entwicklungen machen Aktivismus und Selbstvertretung gleichzeitig wichtiger und riskanter. Besonders für Menschen, die sowohl queer als auch neurodivergent sind, ist ein bewusster Umgang mit potentiellen Risiken essentiell.

→ Ausführliche Informationen zur aktuellen Situation, konkreten Risiken und Schutzmaßnahmen findest du HIER

Herausforderungen und Selbstfürsorge im Engagement

So wichtig und ermächtigend Aktivismus sein kann, so herausfordernd kann er gleichzeitig sein – besonders für Menschen, die selbst von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind. Mögliche Schwierigkeiten sind:

  • Erfahrungen von Ablehnung, Unverständnis oder Anfeindungen
  • Hoher Zeit- und Energieaufwand bei gleichzeitigen Belastungen im Alltag
  • Gefahr der Retraumatisierung durch die ständige Beschäftigung mit Diskriminierung
  • Schwierigkeiten der Abgrenzung und Übernahme von zu viel Verantwortung
  • Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse und der Selbstfürsorge

Um langfristig und nachhaltig aktiv sein zu können, braucht es einen achtsamen Umgang mit den eigenen Ressourcen und Grenzen. Dazu gehören:

  • Realistische Einschätzung der eigenen Kapazitäten und Möglichkeiten
  • Aufbau eines unterstützenden Umfelds und solidarischer Strukturen
  • Regelmäßige Auszeiten und Erholungsphasen
  • Inanspruchnahme von Supervision oder Therapie bei Bedarf
  • Achtsamkeit für Triggerpunkte und Vermeidung von Retraumatisierung

Selbstfürsorge ist kein Egoismus, sondern die Voraussetzung für nachhaltiges Engagement. Nur wer gut für sich selbst sorgt, kann auch langfristig für andere da sein und Kraft für Veränderung aufbringen.

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